ROBOTRONIKA - hypermatic:automagic
19 - 23 June 1998 Museumsquartier, Vienna/Austria



Ernst Strouhal und Brigitte Felderer, University of Applied Arts Vienna, A

"Kuenstliches Leben in Oesterreich – die Automaten und Maschinen des Wolfgang von Kempelen"

Baron Wolfgang von Kempelen, Hofkammerrat unter Maria Theresia, konstruierte - auf Wunsch der Kaiserin - einen Automaten, den er 1769 erstmals bei Hof vorstellte. Der Automat sollte die bisher bekannten Androiden von Jacques de Vaucanson, wie die körnerpickende Ente oder den Trompetenspieler, als Spielzeug erweisen. Während jene die ihnen einprogrammierten Handlungsabläufe stereotyp wiederholten, konnte Kempelens Automat offensichtlich denken. Der "Türke" hatte das schwierigste aller Spiele, das Schachspiel, erlernt und damit spielerisch von der Ratio Besitz ergriffen. Der Schachautomat wäre tatsächlich die größte "Errungenschaft der Menschheit", wie Edgar Allen Poe festhielt, wenn er denn funktionierte. In Wahrheit war in der Maschine ein Mensch verborgen; man weiß allerdings bis heute nicht genau, wie die Mechanik des Androiden tatsächlich funktionierte.

Die "sprechende Maschine" (1791), die Kempelens Ehrgeiz während etwa 20 Jahren nicht ruhen ließ, war das pure Gegenteil des spektakulären Schachautomaten. So nahm Kempelen zunächst die menschliche Anatomie zum Vorbild, als isolierte Funktionen und Möglichkeiten des menschlichen Körpers. Was wird benötigt, um menschliche Sprache zu erzeugen? Eine erste empirisch-analytische Phonetik, die Kempelen in seinem Buch "Über den Mechanismus der menschlichen Sprache" entwickelte, sollte den magischen Vorgang menschlicher Sprache rationalistisch entschlüsseln. Auf diesen Grundlagen ließen sich Standards menschlicher Funktionen optimieren, mit dem Ziel, diese maschinell zu reproduzieren. So werden einerseits menschliche Fähigkeiten an eine maschinelle Reproduktion angepaßt, anderseits orientiert sich die Konstruktion der Maschine am Vorbild der menschlichen Organe. Diese Anthropomorphose des Mechanischen entfernt sich aber zugleich vom menschlichen Vorbild und etabliert gewissermaßen eine neue Qualität des Lebendigen. Kempelens Sprechmaschine kopierte den Menschen nicht mehr, ihre maschinellen Einzelteile verselbständigten sich bereits in ihren spezifischen Möglichkeiten.

Brigitte Felderer, Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Lehrtätigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien (Institut für Soziologie), zum Thema u.a.: "Wunschmaschine Welterfindung. Eine Geschichte der Technikvisionen seit dem 18. Jahrhundert", Buch zur gleichnamigen Ausstellung, 1996.

Ernst Strouhal, geb. 1957 in Wien, Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Lehrtätigkeit an den Universitäten Wien und Klagenfurt. In Buchform zum Thema u.a.: Technische Utopien. Zu den Baukosten von Luftschlössern. 1991; Duchamps Spiel. 1994; Acht x acht. Zur Kunst des Schachspiels. 1996.



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